Wir haben Jahrzehnte darauf gewartet, dass Politik und Gesellschaft das nachhaltige Bauen wirklich ernst nehmen. Jetzt, wo leider schon die ersten sehr konkreten Auswirkungen des Klimawandels sichtbar werden, machen wir plötzlich ernst. Von Greta Thunberg bis zum Green Deal der Europäischen Kommission scheint plötzlich ein Hebel umgelegt worden zu sein. Die Politik stellt enorme Investitionsmittel für den Gebäudebestand zu Verfügung und auch die privaten Investoren, Banken und Versicherungen haben das Thema erkannt. Zwar gehen, wie zu erwarten, die early birds der Branche voran, bauen Personal im Bereich ESG auf, versuchen Daten über ihre Gebäude zusammenzustellen und sich ein Bild von Klimapfad und stranded Assets zu machen. Aber selbst die Zögerlichen wissen, dass das Thema nicht an ihnen vorbeigehen wird.
Das Momentum dieser Bewegung ist gewaltig. Zur Orientierung: Die Baubranche realisierte über die letzten Jahre konstant eine Sanierungsrate von ca. 1% des Gebäudebestands pro Jahr. Jetzt strebt die Europäische Kommission eine Rate von 2%, wenn möglich sogar von 3% an. Warum diese hohen Zuwachsraten? – Ganz einfach: Bei einer Verdopplung der Sanierungsrate hätten wir bis 2050 – dem Jahr in dem wir klimaneutral sein wollen – knapp die Hälfte des Gebäudebestands nicht mal angefasst, geschweige denn emissionsfrei gemacht. Damit diese Planungen überhaupt aufgehen können, muss die Branche ihre Kapazitäten oder ihre Produktivität – am besten beides – innerhalb weniger Jahre in einem Maße steigern, wie es noch keine Branche vorher geschafft hat, vielleicht mit Ausnahme der Mikroprozessoren, für die die Verdopplung der Leistungsfähigkeit ca. alle 18 Monate nach dem mooreschen Gesetz immer noch einigermaßen passt.
Um dennoch eine möglichst starke Steigerung der Investitionen zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen im Gebäudebestand zu erreichen, wird nun auf unterschiedlichen Ebenen Druck erzeugt. Zum einen mit dem globalen Mittel der CO2-Bepreisung. Hier spielt das technische Detail zunächst keine Rolle. Wer CO2 emittiert, muss zahlen. Und die Markmechanismen bewirken die optimale Auswahl der Werkzeuge. In der „normalen“ Industrie und ihren Produkten kann dies funktionieren. In vielen Bereichen und gerade am Bau sind die Mechanismen der Wirtschaft so komplex und kleinteilig, dass ein CO2-Preis allein nicht reichen wird. Alleine die fehlende ganzheitliche Produkthaftung und der komplizierte Durchgriff auf Verantwortlichkeiten von Fachplanung, Errichter und Betreiber auf Performancedefizite von Gebäuden zeigt, dass wir andere Mechanismen brauchen, um Emissionen im Gebäudebestand zu senken. Die EU hat dazu gerade die Taxonomie-Verordnung vorgestellt, die für verschiedenen Bereiche der Wirtschaft definiert welche Aktivitäten „grün“ sind. Im Gebäudebereich werden hierzu z.B. Vorgaben für „das Besitzen“ grüner Gebäude sowie für grüne Dienstleistungen gemacht. Beim Lesen der Taxonomie-Verordnung war ich erstaunt, wie sehr die Taxonomie ins technische Detail geht.
In Zukunft wird die Compliance von Gebäuden und Dienstleistungen mit der Taxonomie ein wichtiger Bestandteil von Verträgen im Baubereich sein. Wir werden feststellen müssen, was wirklich grün ist. Taxonomie-Compliance wird Gegenstand von Werkverträgen für Planungs- und Bauleistungen sein, Nachhaltigkeit wird Teil von Service-Level-Agreements und zur Sicherstellung oder Feststellung der Compliance werden Zertifizierungs- und Auditorenverträge erforderlich. Wir müssen also dafür sorgen, dass die oben genannten technischen Konzept immer auch vertraglich abgesichert werden können – wir brauchen eine einfache und robuste „Contractability“ für diese Lösungen, die mit der zu steigenden Anzahl von Baumaßnahmen mitwachsen kann, ohne noch mehr Kosten und Aufwand für juristische Auseinandersetzungen am Bau zu verursachen. Deshalb hat die synavision schon vor zwei Jahren gemeinsam mit REHVA und EUROVENT die COPILOT-Zertifizierung als digitalen Nachweis eines systematischen Qualitätsmanagement-Prozesses für Gebäude auf den Weg gebracht. Sie kann heute genutzt werden, um z.B. das Technische Monitoring im Rahmen einer DGNB-Zertifizierung nachzuweisen. Auch in GU-Verträgen kann die COPILOT-Zertifizierung durch einen unabhängigen Dritten mit einem Zweizeiler verankert werden. So macht COPILOT Gebäudeperformance auf einfache Weise „contractable“ und sorgt so zuverlässig für Nachhaltigkeit.
Am 25.3. hatten wir zu diesem Thema ein tolles Webinar. Schaut mal rein!