Können Sie uns kurz Ihr Tätigkeitsfeld beschreiben. Worauf haben Sie sich spezialisiert?
Ich habe Baumann Consulting im Jahr 2006 in Washington, D.C., gegründet. Wir haben uns als Beratungsunternehmen – allgemein gesprochen – auf die Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Bau spezialisiert. Inzwischen sind wir auch in Deutschland präsent, denn seit 2013 haben wir ein Büro in Frankfurt am Main. Somit ist unsere besondere Spezialität, dass wir einen transatlantischen Footprint mitbringen. Das heißt, wir haben Expertise und Best Practice aus beiden Welten vorzuweisen – aus Europa und Nordamerika.
Wie sind Sie eigentlich in den USA gelandet?
Ich bin von Haus aus Maschinenbauingenieur (TU München, 1997) und habe in den ersten zehn Jahren meiner Karriere in einem TGA-Büro in München gearbeitet. Während dieser Zeit habe ich auch an internationalen Forschungsvorhaben teilgenommen und darüber ein internationales Netzwerk aufgebaut. 2006 habe ich mich dann entschlossen, mich mit den Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz auf dem US-amerikanischen Markt selbstständig zu machen.
Spielen Energieeinsparung und Energieeffizienz in den USA eine ähnlich große Rolle wie in der EU?
Vielleicht vorab: Aus meinem Blickwinkel wirkt die deutsche Haltung im internationalen Kontext oft etwas arrogant und besserwisserisch. Die amerikanische Mentalität tendiert hingegen dazu, die Ersten und Besten zu sein. Kulturell prallt da schon etwas aufeinander. Zur Frage: 2006 war das Thema Energieeffizienz in Nordamerika objektiv noch ganz am Anfang. Damals war mein Eindruck, dass die USA dabei 20 Jahre hinter Europa lagen. Entsprechend schwierig war es, das Thema Energieeffizienz in Gebäuden überhaupt zu adressieren. Ein weiterer Unterschied, der auch die Mentalität betrifft: Energieeffizienz war in Deutschland regulatorisch getrieben, in den USA funktionierte das aber nicht. Dort lief viel über Geld und Marketing. Doch das Stichwort Wirtschaftlichkeit hat damals in den USA nicht funktioniert, da Energie – übrigens bis heute – viel zu billig war.
Und heute?
Es hat ein kompletter Wandel stattgefunden, da die Megathemen Nachhaltigkeit, Energieeffizienz sowie Resilienz – also Energieunabhängigkeit – mittlerweile ganz anders betrachtet werden. Auf lokaler Ebene gibt es Städte, Countys und Bundesstaaten, die mittlerweile sehr strikte Energieeffizienzvorgaben haben – viel strenger übrigens als in Europa. Einer der Vorreiter ist die Stadt Washington, D.C. Dort drohen drastische finanzielle Strafen, wenn die Anforderungen an die Energieeffizienz von Bestandsgebäuden nicht erfüllt werden. Diese „compliance payments“ gehen in die Millionen. So ist über zu vermeidende Strafen plötzlich ein sehr starker Anreiz geschaffen worden, sich doch um Energieeffizienzbelange zu kümmern. Außerdem werden ab 2026 nur noch Nullenergiegebäude genehmigt.
Welche Dienstleistungen werden bei Ihnen angefragt?
Speziell aus Washington, D.C., erleben wir eine Flut von Anfragen von Gebäudeeigentümern, die sich jetzt erst mal angesichts der neuen Vorgaben zurechtfinden müssen und gleichzeitig die „compliance payments“ vermeiden wollen. Angefragt werden vor allem konkrete Pläne, wie Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt werden können, die dann auch tatsächlich zum Erfolg führen. Und viele sind bemüht, eine „performance verification“ zu bekommen, sprich den Nachweis, dass tatsächlich Energie eingespart worden ist. Im Moment sind davon alle Gebäude betroffen, die umgerechnet größer als 5.000 Quadratmeter sind. In weiteren Phasen werden kleinere Gebäude folgen.
Umfasst das alle Gebäudearten?
Im Moment betrifft es noch vor allem Bürogebäude und große Apartmentgebäude. Wichtig ist, sich der Wirkung bewusst zu sein, denn wir erleben hier so etwas wie einen Dominoeffekt. Immer mehr Städte und Countys ziehen nach, beispielsweise Montgomery County in Maryland und auch New York City, um nur zwei Beispiele zu nennen. An dieser Entwicklung wird auch der große Unterschied deutlich: In Europa und Deutschland wird alles von oben durchverwaltet und erst dann flächendeckend lokal umgesetzt. In den USA ist es genau andersherum. Dort entwickeln sich die Dinge lokal – mit dem Nachteil, dass es oftmals viele unterschiedliche Regelungen gibt. Anders als in Europa werden nachhaltige und resiliente Gebäude als Standortvorteil interpretiert. Vor allem Investoren schauen nun verstärkt auf die vor Ort geltenden ESG-Kriterien und darauf, inwiefern sie eingehalten werden.
Was ist der große Unterschied zwischen US-amerikanischen Gebäuden und deutschen Gebäuden?
Es gibt grundlegende Unterschiede. In vielen Regionen haben wir in den USA eine sehr viel höhere Luftfeuchtigkeit, sodass jedes Gebäude notwendigerweise klimatisiert ist. Das ist auch nicht fakultativ wie in Deutschland, wo man oftmals beispielsweise durch ordentliches Lüften eine Klimaanlage ersetzen könnte. In den USA wäre das Lüften sogar schädlich, weil zu viel Feuchtigkeit in die Innenräume gelangen würde. Als Deutscher in den USA hat man somit das Gefühl, dass die Räume überkühlt sind. Aber die Klimaanlagen auszuschalten, ist auch keine Lösung. Die gesamte Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik funktioniert anders als in Deutschland über Luftsysteme. In Deutschland läuft das über wassergeführte Systeme, die zwar energetisch effizienter sind, aber nichts zur Entfeuchtung der Gebäude beitragen.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung der Gebäudetechnik?
In den USA wird mit Blick auf digitale Lösungen mehr ausprobiert und schneller umgesetzt. Fehler werden dabei bewusst in Kauf genommen. In Deutschland wird hingegen viel geredet: Ein System muss erst zu 100 Prozent perfekt sein – zumindest in der Theorie –, bevor überhaupt etwas umgesetzt wird. In vielen Bereichen sind die Amerikaner somit weiter, beispielsweise auf dem Feld „Building Information Modeling“ oder auch bei der digitalen Gebäudesimulation. Forschung und Entwicklung werden in stärkerem Maße betrieben– mit dem Ergebnis, dass ein Großteil der einschlägigen Programme aus den USA stammt.
Sie kooperieren mit synavision. Warum haben Sie sich dazu entschlossen und wie profitieren Sie von der Zusammenarbeit?
Wir setzen synavision schon seit Jahren bei sehr vielen Projekten sowohl in den USA als auch in Europa ein. synavision hilft uns vor allem bei der Visualisierung und Auswertung der Gebäudedaten. Und auch für die in den USA wichtige Berichterstellung – „performance verification“ genannt – ist synavision sehr hilfreich. Zudem entwickelt synavision das Tool sehr schnell und kontinuierlich weiter und berücksichtigt dabei auch stets Anregungen von unserer Seite, was es uns ermöglicht, noch einfacher die Energieeffizienz der Gebäude unserer Kunden zu steigern.
—
Über Baumann Consulting:
Das Ziel von Baumann Consulting ist es, die Immobilienbranche in eine klimaneutrale Zukunft zu führen. Dazu entwickeln wir nachhaltige Lösungen für Niedrig- und Nullenergiehäuser auf Basis wirtschaftlich realisierbarer Geschäftspläne.
Baumann Consulting bietet Nachhaltigkeits- und Ingenieurberatungsleistungen für den gesamten Lebenszyklus von Büro-, Wohn-, Schul-, Verwaltungs- und Industriegebäuden an. Die Dienstleistungen umfassen Energieaudits, Machbarkeitsstudien, Gebäudesimulationen, die Entwicklung und Prüfung von Planungskonzepten sowie das technische Inbetriebnahmemanagement und das technische Monitoring.
Baumann Consulting wurde 2006 in Washington, D.C., gegründet. Im Jahr 2012 wurde mit einem Büro in Chicago, Illinois, die Präsenz auf den Mittleren Westen der USA ausgeweitet. Mit der Eröffnung der deutschen Niederlassung in Frankfurt am Main im Jahr 2013 wurde Baumann Consulting zu einer transatlantischen Organisation. Alle drei Standorte agieren als ein Unternehmen und sind im ständigen Ressourcen- und Informationsaustausch.