In der Finanzbranche, beim autonomen Fahren und in vielen anderen Bereichen sind bereits in den letzten Jahren enorme Finanzmittel in die Digitalisierung geflossen. Davon können wir heute profitieren und viele der Entwicklungen nutzen. Die technischen Anforderungen sind ja auch gar nicht so groß: während es im Hochfrequenzhandel oder bei einem Autopiloten um Reaktionen im Millisekundentakt und oft um Leib und Leben geht, laufen die Anlagen am Bau doch sehr gemächlich und mit deutlich weniger Risiko.
Die Herausforderungen liegen eher in den Geschäftsmodellen und den Besonderheiten der Baubranche. Der Gebäudebestand ist geradezu atomisiert – es gibt unendlich viele Hausbesitzer und selbst professionelle Investoren und Asset Manager haben häufig nur ein Portfolio von einigen Dutzend Gebäuden. Im Gegensatz zur Autobranche (gar nicht zu sprechen von Smartphones oder den großen amerikanischen oder chinesischen Software-Plattformen) gibt es nur kleine Akteure, keine großen. Diesen Markt zu erschließen ist eine andere Aufgabe, als ein innovatives Produkt weltweit an Privatkunden auszurollen.
Die ersten Trends sind spannen: z.B. werden Anlagen immer „produkt-artiger“. PV-Anlagen bringen schon seit Jahren ihre eigene Cloud und App mit und haben nur wenige Schnittstellen im Gebäude. Mittlerweile sehen wir dies genauso bei Kältezentralen, Wärmepumpen, Fernwärmeübergabestationen, Lüftungsanlagen oder deren Wärmerückgewinnungsanlage: Sie alle erweitern ihren technischen Scope und lassen dessen Automation ausfallsicher über einen kleinen anlagenintegrierten Edge-Computer (sprich: einen kleinen PC) laufen. Über die Cloud-Anbindung, die über LoRa und Internet immer schneller zur Commodity wird, können die Hersteller Dienste anbieten, Produktentwicklung betreiben, den Netzbetrieb unterstützen, Kundenkontakt halten und, wie z.B. für uns bei der synavision, Daten für das Technische Monitoring bereitstellen. Und selbst die Einzelraumregelung wird über den Raumthermostat in der Wohnung oder integrierte Bauelemente im Bürogebäude als Produkt angeboten.
Aus Sicht des Qualitätsmanagements hat dies enorme Vorteile: Wir sehen in Bauprojekten immer wieder, dass das einmalige Planen von individuellen Lösungen meist ganz ohne Produkte erfolgt und dann auf der Baustelle soweit improvisiert wird, dass die Anlagen so gerade laufen (es kommt Luft, es wird warm). Die vielen möglichen Mehrwerte bleiben auf der Strecke. Technisch ist diese individuelle Lösung natürlich möglich, aber sie ist natürlich völlig unwirtschaftlich (übrigens egal, ob sie sie nun individuell vor Ort oder individuell in der Cloud programmiert wird).
Mit der Modularisierung durch größere technische Komponenten wird der Vorfertigungsgrad einschließlich der industriellen Planung und Qualitätssicherung massiv verbessert und kostengünstiger. Im Gebäude muss dann umso weniger individuell automatisiert werden. Sollwerte, Freigaben und Störmeldungen können – da nicht zeitkritisch – ganz über die Cloud gemanagt werden.
Wir haben mit dem Green Deal gerade am Bau eine enorme Aufgabe vor uns. Die größte Herausforderung ist dabei, die Produktivität der Branche soweit zu steigern, dass wir sie auch nur ansatzweise bewältigen können. Durch die Modularisierung und Standardisierung kann die Industrie hierzu einen erheblichen Beitrag leisten: durch niedrigere Kosten und bessere Qualität. Und auch wir als Qualitätsmanagement können effektiver arbeiten: bei mehr und mehr Gebäuden verknüpfen wir uns nicht mehr mit unserem Edge-Device vor Ort, sondern direkt mit den Clouds der Hersteller: so bauen wir die Multi-Cloud.
Diese Entwicklung verspricht noch viele weitere Vorteile, die wir zurzeit mit Partnern aus ganz anderen Branchen erschließen. Dazu demnächst mehr. Soviel sei schon gesagt: Es bleibt spannend.